Freitag, 28. Dezember 2018

Jon Sobrino - Christologie von unten

Jons Sobrino 2013 (Wikipedia)
Der Jesuit und katholische Priester Jon Sobrino  (geb.27.12.1938), stammt aus einer baskischen Familie. 
Er gehört zu den bekanntesten Vertretern der  Theologie der Befreiung
in Lateinamerika
.
Er erhielt seltsamerweise als einziger 2007 eine sogenannte Notifikation des Vatikans (durch den Nachfolger von Kardinal Ratzinger), in der seine "Christologie von unten" als Irrtum und als große Gefahr für den Glauben der Kirche eingestuft wurde. Das  Lehrverbot führte weltweit zu einer großen Solidaritätwelle für ihn.


Zur weiteren Erinnerung: Sobrino lehrte an der Universidad Centroamericana in San Salvador. Am 16. November 1989 verübte das gefürchtete (und von den USA unterstützte) Batallón Atlácatl auf dem Campus der Universität einen nächtlichen Überfall. Dabei wurden u.a. sechs Jesuiten-Patres - unter ihnen der Rektor Ignacio Ellacuría - umgebracht. Sobrino entkam diesem Mordversuch nur, weil er gerade dort nicht anwesend war.
Die Bedeutung dieses in seinen Aussagen eher gemäßigten Theologen liegt in der systematischen Aufarbeitung des theologischen Freiheitsverständnisses, besonders unter den sozialen Bedingungen von Gewalt und Repression.

Werke in Deutsch:
  • Christologie der Befreiung. Bd. 1. Mainz: Matthias-Grünewald 1998 
  • Der Glaube an Jesus Christus (= Bd. 2 der Christologie der Befreiung).Ostfildern: Grünewald 2008.Rezension: hier
    (Institut für Theologie und Politik Münster)

    --- Besprechung Bd. 1+2 in Forum Weltkirche: hier
  • Der Preis der Gerechtigkeit. Briefe an einen ermordeten Freund.
    Würzburg: Echter 2007

Vgl. die Bände "Mysterium Liberationis" :
Ignacio Ellacuría / Jon Sobrino (Hg.): Mysterium Liberationis.
Grundbegriffe der Theologe der Befreiung. 
2 Bände. Luzern: Edition Exodus 1995/1996
Original spanisch, zuerst erschienen bei Trott in Madrid 1990
Zu Sobrino: Bd. 1, S. 461-504.567-591, Bd. 2, S. 851-878.1097-1114

Vgl.: Mehr zur Theologie der Befreiung auch in: Focus Lateinamerika

Anlässlich seines 80. Geburtstags am 27. Dezember 2018 hat der spanische Theologe und Religionswissenschaftler Juan José Tamayo von der Universität Carlos III Madrid  eine kleine Hommage im Lateinamerika-Portal Amerindia verfasst,
die einen guten Einblick in Leben und Wirken von Jon Sobino gibt.
Sie trägt den Titel: Das Prinzip - Barmherzigkeit und die Kirche der Armen 

 Der vollständige spanische Text: hier

Juan José Tamayo schreibt dort u.a.:
"Jon Sobrino ist einer der qualifiziertesten Theologen der Befreiung. Mit seiner Konzeption der >Christologie von unten< überschreitet er den lateinamerikanischen Kontext. So hat er auch weltweit Anerkennung gefunden, weil er auf der Basis seiner theologischen Methodologie die großen Themen des Christentums - die Christologie, die Ekklesiologie, die Spiritualität und das Gottesverständnis - aus der Sicht der Armen zur Sprache bringt.
Er tut dies ganz konkret, indem er etwa daran erinnert, dass sein kleines Land El Salvador innerhalb von 12 Jahren Bürgerkrieg mehr als 80.000 Tote und Hunderttausende von Vertriebenen und Exilierten zu beklagen hat. Die Welt der Armen, so sagt er, ermöglicht uns erst das Denken, ja lehrt uns das Denken.Mehr zum Bürgerkrieg in El Salvador von 1980 - 1991: hier 
(Vergessene Konflikte,16.02.2014) 


Sobrinos Theologie geht von einem bevorzugten kirchlichen Ort aus, der Kirche der Armen, und von einem privilegierten sozialen Ort: der Welt der Armen. El Salvador, ein kleines Land, erlebte dies auf das Schrecklichste - innerhalb von 12 Jahren mit mehr als 80.000 Toten und Hunderttausenden von Vertriebenen und Exilierten. Die Welt der Armen, sagt er, gibt uns das Denken, ermöglicht das Denken und lehrt das Denken, das nicht im Allgemeinen stehen bleiben darf.
Mehr zum Bürgerkrieg in El Salvador von 1980 - 1991 (Vergessene Konflikte,16.02.2014) 


Der Horizont seines Nachdenkens ist das Prinzip der Gnade. Die Barmherzigkeit wirkt in alle Dimensionen des Menschen hinein, auch in die Theologie. Unmöglich ist eine kalte Intelligenz des Glaubens, die am Leiden der Menschen vorbeigeht wie der Priester und der Levit im Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Es geht um eine Intelligenz der Liebe und der Barmherzigkeit, die sich um die Leidenden kümmert und diejenigen anprangert, die dieses Elend provozieren. Dieser liebende Glaube steht auf der Seite der verarmten und gekreuzigten Völker.

Zusammen mit anderen Theologen der Befreiung - wie Leonardo Boff und Juan Luis Segundo - hat Sobrino maßgeblich zur Entwicklung einer lateinamerikanischen Christologie beigetragen. Sie ist aus der Welt der Armen als sozio-theologischem Ort mit Jesus von Nazareth hervorgegangen ist = Christus der Befreier. Seine Christologie wird von der Parteilichkeit zugunsten der Ausgeschlossenen und durch die Hoffnung auf eine friedvolle Praxis geleitet. Ihr Ziel ist es, den historischen Jesus mit seiner befreienden Praxis zurückzugewinnen. Der Akzent ist dabei ein doppelter: Kreuz und Auferstehung. Sobrinos Nachdenken über die Auferstehung konzentriert sich auf den Gott Jesu, der den Opfern Gerechtigkeit bringt, indem er sich auf ihre Seite stellt, sie in ihrer Würde rehabilitiert und ihr Leben wiederherstellt.

Sobrino hat ein kreatives Nachdenken über die Kirche entwickelt: "Selig sind die Armen, denn ihnen gehört das Himmelreich", sagt Jesus in der Bergpredigt. Diese bilden eine christliche Gemeinschaft in der Nachfolge Jesu und setzen seine Befreiungsinitiative fort - als egalitäre Bewegung von Männern und Frauen.

Spiritualität ist ein weiteres Feld, das Jon Sobrino durchleuchtet. Er führt diese aus dem engen Rahmen der Askese heraus, in der sie viele Jahrhunderte eingeschlossen war. Sie wird zum Mittelpunkt der Befreiungsprozesse. Spiritualität ist konstitutiv für den Menschen, ebenso wie Körperlichkeit, Geselligkeit und praktisches Handeln. Sie gehört notwendigerweise zum christlichen Wesen im Sinne der Befreiung.


Darum hebt Sobrino auch die Verbindung von (heiligem) Geist und Praxis, Befreiung und Nachfolge Jesu hervor. Befreiung braucht sowohl Praxis als auch Geist. Heiligkeit kann nicht in der Privatsphäre bleiben, sondern muss die Veränderung von Strukturen beeinflussen. Die Begegnung zwischen Spiritualität und Befreiung führt so zu >politischer Heiligkeit<. 

Auch Sobrinos Gottesverständnis geht von den lateinamerikanischen Erfahrungen der Unterdrückung aus, von der die Mehrheiten der Gesellschaft täglich bedroht sind. Hier wird Gott zum Verteidiger und Garant des Lebens. Er wird als der ultimative Protest gegen den Tod erlebt. Die Bekräftigung des Lebensgottes führt direkt zur Option für die Armen und ihr Recht auf ein würdevolles Leben. Es lohnt sich, dafür auch mit dem eigenen Leben einzustehen.
Gerade in seiner bescheidenen, zurückhaltenden Art - auch angesichts der Phase des Lehrverbots durch den Vatikan - war das Sobrino auferlegte Schweigen sehr beredtEs war vielleicht die beste Antwort auf solch eine unbegründete Zensur gegen einen der privilegierten Zeugen der salvadorianischen Märtyrer. Möglicherweise erinnerte sich Sobrino an den argentinischen Gitarristen, Sänger und Schriftsteller Atahualpa Yupanqui (1908-1992): Ich brauche keine Stimme. Ich weiß, wie man in Stille singt."


CC




Donnerstag, 20. Dezember 2018

Engel unterwegs ...


Engel. Nowgoroder Schule, 12. Jh.
Original: Russisches Museum St. Petersburg
Nicht nur an Weihnachten
sind Engel unterwegs,
aber sie scheinendie dunklen Nächte des Winters zu lieben.Und wer mit dem inneren Auge genau hinschautkann ihre leuchtenden Flügel erahnen. 
Sie sehen in die Tiefen der Seele
und erkennen,
wo sie ihr himmlisches Leuchten
hineinbringen müssen,
aber sie tun dies menschlich,
darum trägt ihr zartes Antlitz
die menschlichen Züge des
liebenden Mitseins.




Dreieinigkeit, Andrei Rubljow, 1411
Der Vater im durchscheinenden Gewand,
der Sohn mit erdfarbenem Kleid
mit dem Symbol des Opferlamms im Kelch,
der Hl. Geist in der Grünkraft
und himmlischem Blau
Original: Treljakow-Galerie, Moskau



Dem Irdischen zugewandt
lassen die Engel Gott selbst
durchscheinen:
Jenseitig lichtvoll,
irdisch bis in die Tiefe des Leidens
der Erde menschlich verbunden  
und schöpferisch
die Grünkraft des Geistes ausstrahlend –
Gott in den Engeln
sich dreifach nähernd.












Es ist nicht ganz leicht,
dies zu erkennen am Tisch des Alltags,
den Durchblick gewinnen,
das Himmlische wahr-nehmen
und achtsam gestärkt den Weg gehen.
Denn der Mensch hört oft nicht
den Flügelschlag der himmlischen Boten.
Darum gilt es, das Lauschen erneut zu lernen.
Und der still Horchende
erfährt heilenden Klang.
Denn die Engel singen noch immer 
die Geschichte von der Menschlichkeit Gottes,
die in der Tiefe der Niedrigkeit
das göttliche Licht entfachte,
das niemals verlöscht.
Hildegard von Bingen: "Chöre der Engel",
aus "Scivias" - Wisse die Wege (Tafel 9)
Darum gehören das
 
„Ehre sei Gott in der Höhe“ und
das 
„Frieden auf Erden“ zusammen.

Selbst in finsterster Nacht
und im hoffnungslosen Allein
hat schon mancher gespürt,
wie der himmlische Flügelhauch
sein Gesicht berührte.
Und der Dank ging nach DORT.
Die Sterne wissen davon.
Und wenn die Engel dieses
Universale Gloria singen
bekommt ihr Lächeln
ein besonderes Funkeln.
Du kannst es sehen,
in jeder Heiligen Nacht.




CC 

Sonntag, 2. Dezember 2018

Lluís Duch (1936-2018): Historische und anthropologische Zugänge zum Gottesverständnis



Lluís Duch während einer Konferenz im
Centre Cultural La Mercè de Gerona
,  November 2017
(wikipedia.es)

Lluís Duch Álvarez (geb. 13.09.1936 in Barcelona) trat 1961 in das Benediktiner-Kloster Montserrat ein und wurde Mönch und Priester. 

Im Jahr 1973 erfolgte seine Promotion zum Dr. theol.  an der Universität Tübingen (Vorsitz: Max Seckler).  Anschließend studierte er in Münster bei  dem bekannten Philosophen Hans Blumenberg

Den Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit bildete die Geschichte der westlichen Kultur unter den Gesichtspunkten der Anthropologie und der Verschiedenheit religiöser Traditionen.

Er lehrte als Professor für Religionsphänomenologie  (fenomenología de la religión) an den Theologischen Instituten von Montserrat , Manresa und Tarragona. Er gehörte aber auch zur Autonomen Unversität von Barcelona, und zwar in der Fakultät der Kommunikationswissenschaften (Universidad Autónoma de Barcelona), zum Humanwissenschaftlichen Institut der Facultat de Teologia de Catalunya in Barcelona.

Weiterhin war er Mitglied der   Bybliotheca Mystica et Philosophica Alois M. Haas (Universidad Pompeu Fabra, Barcelona), dem Instituto de Antropología de la Universidad Nacional Autónoma de México und dem Institut del Teatre, ebenfalls in Barcelona.

2011 wurde ihm das katalanische St. Georgskreuz
(
Creu de Sant Jordi) verliehen.  Als Hommage anlässlich seines
75. Geburtstags überreichte man ihm das Buch 
Empalabrar el mundo (die Welt zur Sprache bringen)Mehr zum Buch: hier 

Seitdem gehörte er auch als Mitglied dem religiösen Beirat der Regierung Kataloniens an (Consejo Asesor para la Diversidad Religiosa de la Generalidad de Cataluña).

In einer Disputation im Jahr 2014 an der Universität Gerona ging  es schwerpunkmäßig um das Denken von Lluís Duch und seiner These von der Sprache als innerstem Zentrum der Anthropologie im Horizont der Zugangsmöglichkeiten zum Gottesverständnis.

Lluís Duch starb am  10. November 2018 in Barcelona.


Kloster Montserrat bei Barcelona (Wikipedia)

Zu den Veröffentlichungen von Lluís Duch gehören u.a.:
  • Antropologia de la vida quotidiana (Anthropology of Everyday Life, 1999-2003). 
  • Religió i comunicació (Religion and Communication – Fragmenta, 2010)
  • L’ambigüitat de la puresa (The Ambiguity of Purity – CCCB, 2009 = CCCB - Centre de Cultura Contemporánea Barcelona
  • Zusammen mit Albert Chillóns  ein Interview, La condición ambigua. Diálogos con Lluís Duch (The Ambiguous Condition: Dialogues with
    Lluís Duch – Herder, 2011)


    Zur aktuellen Erinnerung, hier der Beitrag von 
    Juan José Tamayo und  Ignasi Moreta 
    in Amerindia (24.11.2018): 



CC

Freitag, 23. November 2018

Parlament der Weltreligionen - Parliament of the World's Religions: 1893 - 1993 - 2018 (aktualisiert)

In seinem Beitrag "Hundert Jahre Religionsdialog" schrieb der Religionswissenschaftler Udo Tworuschka: "1993 schlugen die Herzen vieler interreligiös Engagierter höher ... Chicago 1893 markiert den Beginn eines Jahrhunderts weltweit-interreligiösen Dialogs ... Aus der Vogelschau sieht man heute deutlicher, wie seit den denkwürdigen Tagen von Chicago viele interreligiöse Rinnsale, Bäche und Ströme zum Teil nebeneinander her-, und dann zunehmend zusammenfließen."

Michael Klöcker / Paul Schwarzenau /
Udo Tworuschka /Reinhard Kirste (Hg.):
VISION 2001. Die größere Ökumene.

Interreligiöse Horizonte (IH), Bd. 1.
Köln u.a.: Böhlau 1999, S. 1


Das 1893 in Chicago zum ersten Mal organisierte Parlament der Weltreligionen (auch: Weltparlament der Religionen) wird zum Schlüsselerlebnis für Initiativen, die die engen Grenzen der eigenen kulturellen und religiösen Traditionen überwinden wollen.
Übersicht zum 1. Weltparlament bei Wikipedia (mit einigen Literaturhinweisen)


Der Hindu Swami Vivekananda gab damals offensichtlich entscheidende Impulse:



Zitiert aus Joel Beversluis: A Sourcebook ...1995, S. 46


Es dauerte 100 Jahre, bis wiederum ein "Parlament der Weltreligionen" stattfand. Wichtige Anstöße dazu kamen von Leonard Swidler und Hans Küng mit der Weltethos-Initiative --- Mehr zum Thema "Weltethos": hier
So traf man sich 1993 bewusst erneut in Chicago. 
Parlament der Weltreligionen - ein Überblick 1893-2018: hier

Die einzelnen "Stationen" seit 1993:
Wichtige Literatur
(Kleine Auswahl)
  • Joel Beversluis (ed.):
    A Source Book for Earth's
    Community of Religions.
    Grand Rapids,  Michigan /
    CoNexus & New York:
    Global Education Associates 1995, 366 pp., indices
  • Liven Boeve / Mathijs Lamberigts / Terrence Merrigan (eds.): The Contested Legacy of Vatican II.
    Lessons and prospects.
    Louvain Theological & Pastoral Monographs 43.
    Leuven (B): Peeters 2015, 225 pp. ---
    Rezension: hier
  • John S. Harding: Mahayana Phoenix.
    Japan's Buddhists at the 1893 World's Parliament of Religions.
    American University Studies,
    Series 7: Theology and Religion, Vol 270.
    New York a.o.:
    Peter Lang 2008, XII, 153 pp., illustr.
  • Dorothea Lüddeckens:
    Das Weltparlament
    der Religionen von 1893.
    Strukturen interreligiöser Begegnung im 19. Jahrhundert.
    Berlin u.a.: De Gruyter 2002
  • Richard Hughes Seager (ed.): The Dawn of Religious Pluralism.
    Voices from the World's Parliament of Religions, 1893.
    With Assistance of Ronads R. Kidd
    and Foreword by Diana L. Eck.
    La Salle, Illinois (USA): Open Court 1993, 502 pp., index
  • Wayne Teasdale & George Cairns (eds.):
    The Community of Religions. Voices and Images
    of the Parliament of the World's Religions (1993).
     New York: Continuum 1996, 259 pp.
  • Udo Tworuschka: Das Weltparlament der Religionen in Chicago 1893
    In: Reinhard Kirste / Paul Schwarzenau / Udo Tworuschka (Hg.):
    Interreligiöser Dialog zwischen Tradition und Moderne.
    Religionen im Gespräch, Bd. 3 (RIG 3). Balve: Zimmermann 1994, S. 425-428
  • VIVEKANANDA - Ann Myren / Dorothy Madison (eds.):
    Living Source. Yoga teachings of Vivekananda.
    Boston & London: Shambhala 1993, 153 pp., glossary
  • Eric J. Ziolkowski (ed.): A Museum of Faiths.
    istory and Legacies of the 1893 World's Parliament of Religions.
    Atlanta, GA (USA): The American Academy of Religion 1993, 366 pp., index
                               

Marcus Braybrooke: Pilgrimage of Hope.


                                                       London: SCM 1992, 368 pp., indices

  • Inhalt / Contents

    THE WORLD'S PARLIAMENT

    Conclusions


    Is There a Unity of Faiths?

    The International Association for Religious Freedom II

    The Beginnings

    The History of the World Congress of Faiths

    The Work of the World Congress of Faiths

    The Temple of Understanding I

    Israel

    Conclusions


    Dialogue with Hindus

    Meetings with Buddhists Sikhs and Traditional Believers

    Religions Engage in Dialogue

    The World Council of Churches

    Other Religions Initiatives

    The Unification Church

    The Temple of Understanding II

    World Fellowship World Thanksgiving and World Inter

    Towards the World Conference on Religion and Peace

    The WCRP Assemblies (=RfP)

    WCRPs Achievements

    Other Peace Groups


    BILATERAL CONVERSATIONS

    Official Conversations


    LEARNING ABOUT OTHER


    TOWARDS 1993


    CONCLUSIONS

    The Nairobi Assembly of the World Council

    Notes

    Index of Names

    Index of Organizations



CC

Montag, 12. November 2018

Moral im Schlingerkurs - barockes Lebensgefühl zwischen Liebe, Macht und Heuchelei

Cembalo = Instrumenten-Ausstellung Herne 2018
Die 43. Tage Alter Musik in Herne  vom 8.-11. November 2018 standen unter dem Motto der 7 Todsünden:
1. Superbia:   Hochmut 
2. Avaritia: Geiz 
3. Luxuria:  Ausschweifung, 
4. Ira: Jähzorn 
5. Gula: Völlerei 
6. Invidia: Neid 
7. Acedia: Trägheit des Herzens

Präsentiert wurde Musik vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert zu Laster und Moral und den
7 tugendhaften Gegenbildern: 

Die drei göttlichen Tugenden
1. Glaube: fides -- 2. Liebe: caritas -- 3. Hoffnung: spes
Die vier antiken platonischen Kardinaltugenden
4. Klugheit: prudentia -- 
5. Gerechtigkeit: iustitia

6. Tapferkeit: fortitudo -- 7. Mäßigung: temperantia 

Programmbuch mit Informationen und Gesangstexten:
WDR 3 (Hg.): Tage Alter Musik in Herne, 08.-11. November 2018.
Todsünden Laster & Moral im Spiegel der Musik vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert.
Konzerte & Musikinstrumentenmesse. Köln und Herne 2018, 257 S., Abb.



Hieronymus Bosch: Die 7 Todsünden und die 4 letzten Dinge
Hölle, Sterben, Jüngstes Gericht, Himmel
(Wikipedia)

In Herne wurde am 09.11.2018 "Amare e fingere" (Lieben und Heucheln) von Alessandro Stradella (Siena 1676) nach 342 Jahren erstmalig wieder aufgeführt. In einer ähnlichen Thematik zeigte sich "L'Olimpiade" von Antonio Vivaldi (Venedig 1734) am 11.11.2018. Beide Opern standen unter den Stichworten von "Wollust" und eröffneten die ganze Bandbreite von List, Täuschung, sexueller Begierde, gesellschaftlicher Verwirrungen sowie persönlicher und politischer Gefährdungen.  
Während es bei "Amare e fingere" so scheint, als rechtfertige Täuschung, List und Heuchelei, um an das Ziel der Liebe zu kommen, macht die "Olympiade" Vivaldis deutlich, wie die sexuelle Begierde und Macht-Wollust eines Einzelnen bis zum Mord des Gegners führen können. Man ahnt, dass Vivaldi hier den Herrschenden den Spiegel vorhält, um sie an ihre politische Verantwortung für die Einhaltung des Rechts, der Gerechtigkeit und des gesellschaftlichen Friedens zu erinnern.
  • Leben und Wirken von Antonio Vivaldi (1678 - 1741): hier
  • L'Olimpiade: Die antiken olympischen Spiele bilden den Rahmen für eine Dreiecks-Liebesgeschichte dieser Oper. Dabei wird wie heute die Wettkampfmoral systematisch untergraben, hier durch Bruch des Keuschheitsgelübdes während der Spiele und Täuschung über die wahre Identität eines Wettkämpfers. In der Oper bekommt der falsche Sieger dann doch den richtigen Siegespreis, nämlich die eigene Geliebte , aber das erpresserische Ränkespiel hätte auch böse ausgehen können. Und die politischen Drahtzieher lassen moralisch auch zu wünschen übrig ...
  • Mehr zum Inhalt von "L'Olimpiade": hier (Wikipedia)
  • Die gesamte Oper L'Olimpiade: hier
    (Mária Opera 2012, YouTube)
Ruinen des Philippeion im griechischen  Olympia (wikipedia.en)

Was bei Stradella und Vivaldi unter wohltönenden, aber auch dissonanten Klängen barocker Musik zum Ausdruck kommt, erinnert daran, wie sehr List und Täuschung zuerst durchaus verständlich scheinen, um zum ersehnten Ziel zu gelangen. In dieser Szenerie werden zugleich die Gefährdungen und die moralischen Abgründe offenkundig, in die alle stürzen können.

In der chinesischen Philosophie und Ethik haben deshalb die 36 Strategeme eine wesentliche Rolle gespielt und auch in der arabischen Welt hat die List durchaus ihren Platz, allerdings unter den Bedingungen koranischer Vorgaben für ein an Gott orientiertes menschliches Miteinander. Aber auch in Europa - und keineswegs nur in der Barockzeit - haben sich ähnliche Strukturmuster von List, Täuschung und Heuchelei im Horizont menschlichen Zusammenlebens entwickelt.
Immer treten gleichermaßen Chancen und Risiken bei solchen Strategien hervor. Die Ziele liegen in der Gestaltung des Lebens (ars vivendi), den Möglichkeiten des Überlebens, aber auch in den riskanten Versuchen zur Machterweiterung.

Mehr zu den 36 chinesischen Strategemen und den Listen der Araber
sowie den persönlichen und politischen Geheimhaltungsstrategien in Europa: hier  



CC