Jons Sobrino 2013 (Wikipedia) |
Er gehört zu den bekanntesten Vertretern der Theologie der Befreiung
in Lateinamerika.
Er erhielt seltsamerweise als einziger 2007 eine sogenannte Notifikation des Vatikans (durch den Nachfolger von Kardinal Ratzinger), in der seine "Christologie von unten" als Irrtum und als große Gefahr für den Glauben der Kirche eingestuft wurde. Das Lehrverbot führte weltweit zu einer großen Solidaritätwelle für ihn.
Zur weiteren Erinnerung: Sobrino lehrte an der Universidad Centroamericana in San Salvador. Am 16. November 1989 verübte das gefürchtete (und von den USA unterstützte) Batallón Atlácatl auf dem Campus der Universität einen nächtlichen Überfall. Dabei wurden u.a. sechs Jesuiten-Patres - unter ihnen der Rektor Ignacio Ellacuría - umgebracht. Sobrino entkam diesem Mordversuch nur, weil er gerade dort nicht anwesend war.
Die Bedeutung dieses in seinen Aussagen eher gemäßigten Theologen liegt in der systematischen Aufarbeitung des theologischen Freiheitsverständnisses, besonders unter den sozialen Bedingungen von Gewalt und Repression.
Werke in Deutsch:
- Christologie der Befreiung. Bd. 1. Mainz: Matthias-Grünewald 1998
- Der Glaube an Jesus Christus (= Bd. 2 der Christologie der Befreiung).Ostfildern: Grünewald 2008.Rezension: hier
(Institut für Theologie und Politik Münster)
--- Besprechung Bd. 1+2 in Forum Weltkirche: hier - Der Preis der Gerechtigkeit. Briefe an einen ermordeten Freund.
Würzburg: Echter 2007
Vgl. die Bände "Mysterium Liberationis" :
Ignacio Ellacuría / Jon Sobrino (Hg.): Mysterium Liberationis.
Grundbegriffe der Theologe der Befreiung. 2 Bände. Luzern: Edition Exodus 1995/1996
Original spanisch, zuerst erschienen bei Trott in Madrid 1990
Grundbegriffe der Theologe der Befreiung. 2 Bände. Luzern: Edition Exodus 1995/1996
Original spanisch, zuerst erschienen bei Trott in Madrid 1990
Zu Sobrino: Bd. 1, S. 461-504.567-591, Bd. 2, S. 851-878.1097-1114
Vgl.: Mehr zur Theologie der Befreiung auch in: Focus Lateinamerika
Vgl.: Mehr zur Theologie der Befreiung auch in: Focus Lateinamerika
die einen guten Einblick in Leben und Wirken von Jon Sobino gibt.
Sie trägt den Titel: Das Prinzip - Barmherzigkeit und die Kirche der Armen
Der vollständige spanische Text: hier
Juan José Tamayo schreibt dort u.a.:
"Jon Sobrino ist einer der qualifiziertesten Theologen der Befreiung. Mit seiner Konzeption der >Christologie von unten< überschreitet er den lateinamerikanischen Kontext. So hat er auch weltweit Anerkennung gefunden, weil er auf der Basis seiner theologischen Methodologie die großen Themen des Christentums - die Christologie, die Ekklesiologie, die Spiritualität und das Gottesverständnis - aus der Sicht der Armen zur Sprache bringt.
Er tut dies ganz konkret, indem er etwa daran erinnert, dass sein kleines Land El Salvador innerhalb von 12 Jahren Bürgerkrieg mehr als 80.000 Tote und Hunderttausende von Vertriebenen und Exilierten zu beklagen hat. Die Welt der Armen, so sagt er, ermöglicht uns erst das Denken, ja lehrt uns das Denken.Mehr zum Bürgerkrieg in El Salvador von 1980 - 1991: hier
(Vergessene Konflikte,16.02.2014)
Sobrinos Theologie geht von einem bevorzugten kirchlichen Ort aus, der Kirche der Armen, und von einem privilegierten sozialen Ort: der Welt der Armen. El Salvador, ein kleines Land, erlebte dies auf das Schrecklichste - innerhalb von 12 Jahren mit mehr als 80.000 Toten und Hunderttausenden von Vertriebenen und Exilierten. Die Welt der Armen, sagt er, gibt uns das Denken, ermöglicht das Denken und lehrt das Denken, das nicht im Allgemeinen stehen bleiben darf.
Mehr zum Bürgerkrieg in El Salvador von 1980 - 1991 (Vergessene Konflikte,16.02.2014)
Der Horizont seines Nachdenkens ist das Prinzip der Gnade. Die Barmherzigkeit wirkt in alle Dimensionen des Menschen hinein, auch in die Theologie. Unmöglich ist eine kalte Intelligenz des Glaubens, die am Leiden der Menschen vorbeigeht wie der Priester und der Levit im Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Es geht um eine Intelligenz der Liebe und der Barmherzigkeit, die sich um die Leidenden kümmert und diejenigen anprangert, die dieses Elend provozieren. Dieser liebende Glaube steht auf der Seite der verarmten und gekreuzigten Völker.
Zusammen mit anderen Theologen der Befreiung - wie Leonardo Boff und Juan Luis Segundo - hat Sobrino maßgeblich zur Entwicklung einer lateinamerikanischen Christologie beigetragen. Sie ist aus der Welt der Armen als sozio-theologischem Ort mit Jesus von Nazareth hervorgegangen ist = Christus der Befreier. Seine Christologie wird von der Parteilichkeit zugunsten der Ausgeschlossenen und durch die Hoffnung auf eine friedvolle Praxis geleitet. Ihr Ziel ist es, den historischen Jesus mit seiner befreienden Praxis zurückzugewinnen. Der Akzent ist dabei ein doppelter: Kreuz und Auferstehung. Sobrinos Nachdenken über die Auferstehung konzentriert sich auf den Gott Jesu, der den Opfern Gerechtigkeit bringt, indem er sich auf ihre Seite stellt, sie in ihrer Würde rehabilitiert und ihr Leben wiederherstellt.
Sobrino hat ein kreatives Nachdenken über die Kirche entwickelt: "Selig sind die Armen, denn ihnen gehört das Himmelreich", sagt Jesus in der Bergpredigt. Diese bilden eine christliche Gemeinschaft in der Nachfolge Jesu und setzen seine Befreiungsinitiative fort - als egalitäre Bewegung von Männern und Frauen.
Spiritualität ist ein weiteres Feld, das Jon Sobrino durchleuchtet. Er führt diese aus dem engen Rahmen der Askese heraus, in der sie viele Jahrhunderte eingeschlossen war. Sie wird zum Mittelpunkt der Befreiungsprozesse. Spiritualität ist konstitutiv für den Menschen, ebenso wie Körperlichkeit, Geselligkeit und praktisches Handeln. Sie gehört notwendigerweise zum christlichen Wesen im Sinne der Befreiung.
Darum hebt Sobrino auch die Verbindung von (heiligem) Geist und Praxis, Befreiung und Nachfolge Jesu hervor. Befreiung braucht sowohl Praxis als auch Geist. Heiligkeit kann nicht in der Privatsphäre bleiben, sondern muss die Veränderung von Strukturen beeinflussen. Die Begegnung zwischen Spiritualität und Befreiung führt so zu >politischer Heiligkeit<.
Auch Sobrinos Gottesverständnis geht von den lateinamerikanischen Erfahrungen der Unterdrückung aus, von der die Mehrheiten der Gesellschaft täglich bedroht sind. Hier wird Gott zum Verteidiger und Garant des Lebens. Er wird als der ultimative Protest gegen den Tod erlebt. Die Bekräftigung des Lebensgottes führt direkt zur Option für die Armen und ihr Recht auf ein würdevolles Leben. Es lohnt sich, dafür auch mit dem eigenen Leben einzustehen.
Gerade in seiner bescheidenen, zurückhaltenden Art - auch angesichts der Phase des Lehrverbots durch den Vatikan - war das Sobrino auferlegte Schweigen sehr beredt. Es war vielleicht die beste Antwort auf solch eine unbegründete Zensur gegen einen der privilegierten Zeugen der salvadorianischen Märtyrer. Möglicherweise erinnerte sich Sobrino an den argentinischen Gitarristen, Sänger und Schriftsteller Atahualpa Yupanqui (1908-1992): Ich brauche keine Stimme. Ich weiß, wie man in Stille singt."
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