Mohamed Turki am 26.01. 2018 an der Universität zu Köln |
Aufgrund seiner Verbindungen zur französischen Philosophie und Literatur beschäftigte er sich ausführlich mit Jean-Paul Sartres Existenzphilosophie, im Blick auf Deutschland mit Ernst Blochs utopischem Konzept "Prinzip Hoffnung" und mit der arabisch-islamischen Philosophie im Kontext philosophischer Strömungen in Europa und Amerika. Durch die Eröffnung bisher wenig bedachter interkultureller und interreligiöser Perspektiven wurde er mit seiner interkulturellen Philosophie zu einem Brückenbauer zwischen arabischen und westlichen Philosophien und ein Vermittler der Kulturen.
Bei einem Vortrag im Rahmen der Gedenkveranstaltung für die 2017 verstorbene Philosophin Claudia Bickmann zum Thema "Dimensionen der Freiheit" in Köln betonte er besonders die verschiedenen Freiheitskonzepte in der islamischen Philosophie und Theologie. Angesichts der Eroberung Ägyptens durch Napoleon im Jahre 1798 und den kolonialistischen Folgen war ein korrelativer Diskurs westlicher und östlicher Freiheitskonzepte faktisch unmöglich geworden.
Außerdem nahmen eurozentristische Vorurteile gegenüber dem Orient bedenklich zu, ja man konstruierte sich ein eigenes Orientbild (z.B. auch G.F. Hegel). Dieses beinhaltete zugleich einen Universalanspruch der europäischen Philosophie. Dadurch kamen wichtige Denkkonzepte der islamischen Vergangenheit nicht mehr zur Sprache.
Dies ist bedauerlich, besonders im Blick auf eine vernunftbasierte Willensfreiheit im Mu'tazilismus und der Geschichtsvergessenheit angesichts von Averroes / Ibn Rushd (1126-1198) und seinen Aristoteles-Kommentaren. Dieser großartige Denker wurde selbst in der christlichen Philosophie des Mittelalters nur noch der "Kommentator" (des Aristoteles) genannt.
Er wehrte sich mit seinem Konzept der Willensfreiheit gegen die Ansichten des ebenfalls sehr einflussreichen Philosophen, Theologen, Juristen und Mystikers Muhammad al-Ghazali (1056-1111).
Der "Kommentator" verwarf al-Ghazalis Verständnis von Gott als der einzigen Ursache. Denn al-Ghazali hatte dadurch faktisch die Willensfreiheit zugunsten der göttlichen Prädestination des Menschen eingeschränkt.
Die averroistischen Theorien des unendlichen Willens und der unbegrenzten Wirksamkeit Gottes lassen sich in vielfältige individuelle und anthropologische Zusammenhänge umsetzen. Dies geschieht unter Aufnahme averroistischer und mu'tazilitischer Grundmuster in der Gegenwart verstärkt bei islamischen Philosophen wie z.B. Mohamed Talbi (1921-2017), Mohamed Arkoun (1928-2010), Mohamed Abed Al-Jabri (1935-2010), Mohamed Aziz Lahbabi (1923-1993) und Malek Chebel (1953-2016). Es sind Weiterführungen im Sinne eines freiheitlich-humanistischen Menschenbildes .
- Vgl. Interview mit al Jabri: Islamische Aufklärung
(Deutschlandfunk , 20.08.2009) - Mehr zur Thematik:
Islam und Aufklärung - Geschichte und Gegenwart: hier - Interview mit Mohamed Turki zum arabischen Frühling
(Qantara.de 11.06.2012) - Zur Situation in Tunesien (2011-2018):
Demokratie und Islam seit 7 Jahren - Interview mit
Prof. Dr. Mohamed Turki im Institut Français Stuttgart (Medjedran Press, 02.07.2016) - Zum Buch "Einführung
in die arabisch-islamische Philosophie"
Freiburg: Karl Alber (Herder) 2015 -
--- Inhaltsangabe und Leseprobe: hier
--- Rezension: hier - Humanismus und Interkulturalität. Ansätze zu einer Neubetrachtung des Menschen
im Zeichen der Globalisierung.
Leipzig: Edition Hamouda 2010, 164 S.
Markus Wirtz: Mohamed Turki: Humanismus und Interkulturalität
-- Rezension dieses Buches
in Information Philosophie
--- (abgerufen 27.01.2018)
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