Freitag, 20. September 2019

Sessenheim im Elsass - ein kleiner Ort und eine große Liebe (aktualisiert)

Goethe - Farbseriegraphie
von Andy Warhol, 1982
Der kleine elsässische Ort Sessenheim  ist durch die Liebesgeschichte des Straßburger Jurastudenten Johann Wolfgang Goethe mit der Pfarrerstochter Friederike Brion berühmt geworden. Ein Jahr dauerte die Romanze, von Oktober 1770 bis zum August 1771 - gemeinsame Ausflüge, Kahnfahrten, Spaziergänge. 
Der Dichter hat seine Zeit in Straßburg und die Gemeinsamkeiten sowie die letzte Begegnung mit Friederike in Dichtung und Wahrheit beschrieben (insbesondere II,9+10; III,11+12) und schildert diese Liebe auch in seinen Briefen. 1779 schreibt er: Sie "hatte mich ehmals geliebt, schöner als ich verdiente". Es war dann ein Abschied mit Tränen in ihren Augen und Übelkeit in seinem Magen. Mit einem schlechten Gewissen reiste der inzwischen promovierte Jurist ab. Das Ende der Beziehung teilte er recht unschön in einem Brief aus Frankfurt mit. Friederike hat nie geheiratet und starb 1813 in Meissenheim auf der anderen Rheinseite. Dort war ihr Schwager Pfarrer. Auf ihrem Grabstein steht: Ein Strahl der Dichtersonne fiel auf sie, so reich, dass er Unsterblichkeit ihr verlieh.
Vgl. Dichtung und Wahrheit, Kap. 2, Dritter Teil >>>

Pfarrhaus von Sessenheim 1770
(Rötelzeichnung Goethes) --- wikipedia

Die Scheune des alten Pfarrhauses



















Goethe hat den Abschied von Friederike so nachklingen lassen:

Es schlug mein Herz; geschwind zu Pferde!
Es war gethan fast eh’ gedacht;
Der Abend wiegte schon die Erde
Und an den Bergen hing die Nacht:

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Schon stand im Nebelkleid die Eiche
Ein aufgethürmter Riese da,
Wo Finsterniß aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.

Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah kläglich aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsaus’ten schauerlich mein Ohr;
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer;
Doch frisch und fröhlich war mein Muth:

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In meinen Adern welches Feuer!
In meinem Herzen welche Gluth!

Dich sah ich, und die milde Freude
Floß von dem süßen Blick auf mich;
Ganz war mein Herz an deiner Seite

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Und jeder Athemzug für dich.
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Umgab das liebliche Gesicht,
Und Zärtlichkeit für mich – Ihr Götter!
Ich hofft’ es, ich verdient’ es nicht!


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Doch ach schon mit der Morgensonne
Verengt der Abschied mir das Herz:
In deinen Küssen, welche Wonne!
In deinem Auge, welcher Schmerz!
Ich ging, du standst und sahst zur Erden,

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Und sahst mir nach mit nassem Blick:
Und doch, welch Glück geliebt zu werden!
Und lieben, Götter, welch ein Glück!
                                                                                               (Gedichtfassung von 1827)

Weiteres in: Das Elsass und Goethe (Deutsche Welle, 15.08.2017) >>>

Gedichte, die Goethe wahrscheinlich in Sessenheim geschrieben hat.

Zahlreiche private Sammlerstücke als Zeitzeugen dieser intensiven Liaison motivierten 1890 Wilhelm Gillig zur Gründung eines privaten Goethe-Museums.
Viele Originalschriften wie Gedichte, Briefe aus jener Zeit, Bilder und Stiche, eine umfangreiche Bibliothek mit Goethe-Büchern sowie Kanzel, Kreuz und Wetterhahn der alten Sessenheimer Kirche gehören zu den ausgestellten Exponaten. Die damaligen Kirchenbänke finden übrigens heute Verwendung im Restaurant gegenüber der Kirche.



Die ev. Kirche von Sessenheim

Inneres der Kirche:
Goethe war hier im Sonntagsgottesdienst.

In Sessenheim (von Goethe immer Sesenheim genannt) scheint sich seit damals nicht viel verändert zu haben; aber die Besucher finden viele Orientierungshinweise, um so den Spuren der beiden Liebenden stimmungsvoll nachzugehen. 


Die alte Wache als Goethe-Memorial gestaltet -
neben dem ehemaligen Pfarrhaus


Nachsinnen im Inneren der Goethe-Gedenkstätte: Begegnung mit dem französischen Geistesleben
- L'Éveil du Génie - das Erwachen des Genies

CC

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